Die Restaurierung des Pre Bell Man

Gegen die Vergänglichkeit: Konservierung oder Nachschöpfung?

1990 - 2012

2018 – 2019

Für den Außenbereich geschaffen, war der Pre Bell Man von Nam June Paik von Beginn an Temperatur- und Witterungseinflüssen ausgesetzt. Rasch wurde er zum Wahrzeichen des Museums für Kommunikation Frankfurt und schrieb sich in die Ansicht der Fassade des modernen Gebäudes von Günter Behnisch am Frankfurter Museumsufer ein. Eine Veränderung des Aufstellungsorts kam daher aus Museumssicht nicht in Frage als der Pre Bell Man restauriert werden musste.

Als einem der prägenden Künstler der Fluxus-Bewegung in den 1960er Jahren war Name June Paik dem künstlerischen Konzept verpflichtet. Er bestand nicht auf dem Erhalt des Materials, wenn es notwendig wurde, etwas zu ersetzen, damit die Funktion erhalten blieb. Stets betonte er, ihm war wichtig, dass sein Werk "angemessen" existiert.

Bereits wenige Jahre nach der umfangreichen Restaurierung 2006 wurden erneut Maßnahmen zum Erhalt des Kunstwerks notwendig und 2012 wurde der Pre Bell Man im Depot eingelagert. Es setzte eine lange Zeit der Recherchen ein. Erwogen wurde eine Aufstellung im Innenraum nach der Sicherung der Substanz.

Nam June Paik war die Vergänglichkeit der jeweils aktuellen Technologie und die daraus resultierenden Konsequenzen für den Erhalt der Funktion bewusst. 1995 nahm er an dem ersten großen Symposion "Wie haltbar ist Videokunst?" im Kunstmuseum Wolfsburg teil. Er ermutigte Restauratoren und Sammler, die von ihm gestaltete und bewusst kombinierte äußere Hülle seiner Video-Skulpturen mit jeweils aktueller neuer Technologie auszustatten.

Aufgrund der engen Zusammenarbeit mit dem Künstler im Rahmen vorausgegangener Restaurierungen und auch Name June Paiks öffentlich immer wieder bekundeter Haltung zum Original und zur Konservierung seiner multimedialen Werke, konnte das Museumsteam eine große wissenschaftliche Expertise von Restauratoren und Kunsthistorikern zusammenführen, die 2018 zu einem außergewöhnlichen Ergebnis führte.

Die Skulptur wurde in Einzelteile zerlegt. Das Pferd brachte man zur Nachschöpfung in das Atelier von Anselm Baumann. Dort strich er es mit einer dicken rosafarbenen Schicht aus Silikon ein, die in jede Falte und kleinste Pore des Pferdes eindrang. Nach einigen Tagen bildete die Silikonschicht eine elastische, detailgetreue Abformung um das Pferd. Da das Material keinen Halt bot, wurde eine weitere dicke Schicht Abformmasse aufgetragen. Danach war das Pferd weiß und sah aus als habe man es dick mit Zuckerguss eingestrichen.

Damit die ausgehärtete Form gut von dem Original abgenommen werden konnte, hatte Anselm Baumann vorher eine Naht aus Pappe angebracht: Sie markierte das gesamte Pferd in zwei Hälften. Dort wo sie verlief, war die Abformung getrennt abnehmbar. Die beiden Formen des Pferdes wurden mit flüssigem Kunststoff ausgestrichen. Nach dem Originalpferd war er zuvor mit Pigmenten eingefärbt worden. Nach dem Aushärten wurden die beiden Hälften zusammengesetzt und die Naht wurde so bearbeitet, dass sie unsichtbar wurde. Viele Stunden arbeitete der Künstler in seinem Atelier an der Nachschöpfung. Dann wurden die beiden Pferde nach Heusenstamm in die Museumssammlung gebracht.

Paik verwendete für die Gestaltung des Reiters Objekte aus der Sammlung. Dank glücklicher Umstände können von den historischen Kommunikationsgeräten alle ersetzt werden. Die Doubletten werden für die Nachschöpfung des Reiters verwendet.

Der Restaurierungsprozess

Schritt für Schritt vom Original zur Nachschöpfung

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…eine weitere dicke Schicht Abformmasse aufgetragen, die sich mit dem Silikon verbunden hat. Nach dem Aushärten konnte die Form von dem Original abgenommen werden und bildeten eine detailgetreue Passform.

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Die beiden Formen des Pferdes wurden mit einem 2-3mm dicken Epoxid-Gelcoat ausgestrichen. Darauf folgt eine Schicht des Kunststoffs Resinpal 2404-H, das mit Mixol Farbkonzentrat in grünen Nuancen durchgefärbt und UV-stabil ist.

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Die Nachschöpfung ist wie das Original innen hohl. Im Inneren wurde GFK-Laminat als Stabilisierungsschicht verwendet.

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Ein weiterer Epoxi-Harz, Resinpal 2301, wurde im Innern verwendet, welches ebenfalls mit grünem Mixol Farbkonzentrat durchgefärbt wurde.

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In der Nachschöpfung wurde ein Innengerüst aus Aluminium 4-Kantrohr mit dem Laminat verklebt und in den drei Standhufen befestigt. Die Hufe erhielten Gewindehülsen, die mit den 4-Kantrohren verbunden wurden. So kann das Pferd auf dem neu geschaffenen Sockel befestigt werden.

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Assemblage des Reiters in der Restaurierungswerkstatt in Heusenstamm.

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Für die Gestaltung des Reiters konnte das Museum auf Doubletten aus der Sammlung zurückgreifen. Die Mitarbeiter fanden heraus, dass von den historischen TV-Empfängern, Radios, Farbschreibern, Allverstärkern, Senderöhren und Tisch-Telefonen, die Nam June Paik für den Multimediareiter ausgesucht hatte, baugleiche Objekte aus denselben Jahren vorhanden waren.

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Einige wenige Teile, die Paik in seinem Atelier in den USA hinzugenommen hatte, wurden in einschlägigen Online-Foren für technische Gerätschaften ersteigert.

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Nachdem Museumsrestauratorin Julia Hammerschmied viele Stunden lang die historischen Kommunikationsgeräte behutsam entkernt und für die Montage des Reiters vorbereitet hatte, vollendete sie im Sammlungsdepot die Nachschöpfung mit den Doubletten der historischen Kommunikationsgeräte.

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Zuletzt wurden bunt leuchtende Kunststoffröhren eingebaut, welche die Firma Neon Zentgraf von den Originalen kopiert und maßangefertigt hat. Sie lassen den Reiter in der Dunkelheit bunt aufleuchten.

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Nach sieben Jahren im Sammlungsdepot steht der Pre Bell Man wieder am Museumsufer vor dem Eingang des Museums für Kommunikation Frankfurt und begrüßt die Besucher schon von Weitem. Er vervollständigt die Fassade des postmodernen Gebäudes von 1990.

Was passiert mit dem Pre Bell Man von 1990?

Sicher verwahrt im Sammlungsdepot

Das Original wurde vor der Behandlung ausgiebig geröntgt, um die Innenkonstruktion der Skulptur zu erfassen. Der Reiter wurde in seine Einzelteile zerlegt, damit Restauratorin Julia Hammerschmied nachvollziehen konnte, wie Nam June Paik die Assemblage 1989 angefertigt hat. Alle Einzelteile wurden vorsichtig gesäubert, die Leuchtstoffröhren wurden repariert und für die Nachschöpfung kopiert.

Anschließend wurde der Pre Bell Man von 1990 wieder zusammengefügt und ist nach der Behandlung in einem restaurierten Zustand. Wind und Wetter können ihm nicht mehr schaden. Er bleibt im Sammlungsdepot in Heusenstamm. Der Pre Bell Man von 1990 kann nach Anmeldung besucht werden. Bitte kontaktieren Sie uns unter mkf.sammlung*mspt.de.

Original und Nachschöpfung von Nam June Paiks Pre Bell Man im Museumsdepot © MSPT

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